Donnerstag, 18. Dezember 2014

Transportgut im Chapa

Da ich gerade wieder einmal eingequetscht zwischen schwitzenden Leibern im Chapa sitze, und mich von der brutalen Hitze ablenken muss, die ich jedoch gern in Kauf nehme, immerhin SITZE ich (was bei dieser Stoßzeit um 15:30 einem Sechser im Lotto gleicht), berichte ich ein wenig aus meinem "2ten Leben". Und was wäre passender, als euch die Kuriosität eines Chapas und deren Insassen zu beschreiben?!

Neben wirklich viel zu vielen Menschen, nimmt solch ein Chapa nämlich noch weit mehr in sein Inneres auf. Da wäre zum Beispiel die junge Frau links hinter mir, die neben ihrem mit Capulana festgebundenem Baby nicht nur Portemonnaie und Rucksack in Hand und Arm hält, sonder halb auf dem Schoß, halb zwischen den Beinen auch noch eine Gasflasche transportiert. Natürlich alles eingequetscht auf engstem Raum! Denn wer mehr als einen Sitz belagert, zahlt mehr. So einfach ist das. Und natürlich gilt es, das um jeden Preis zu vermeiden! Was wohl auch den Berg aus Farbeimern in der letzten Reihe erklärt, der von der dazugehörigen Person, ob Mann oder Frau - keine Ahnung - nur noch zwei Hände erkennen lässt. Da geht es dem Jungen vor mir doch besser. Er sitzt neben einer älteren Dame, die immer wieder einnickt und zusammengekauert und schlank wie sie ist, recht wenig Platz einnimmt. Er hat sogar so viel Armfreiheit, seine Englischübungsblätter durchzuschauen: „Satzbau und Präpositionen“ - hab ich auch wieder was gelernt! :D
Auch sonst durfte ich während der täglichen Fahrten schon Einiges erleben: Neben natürlich noch lebenden Hühnern (die sollen schließlich ganz frisch auf den Tisch :D), über riesige Postpakete, bis hin zu Fahrradreifen und Werkzeugkoffer, warte ich nur darauf, dass demnächst jemand einen dieser hässlichen Plastikweihnachtbäume unter das viel zu niedrige Chapadach zwängt. Die gibt es seit ca. zwei Wochen nämlich teils sogar auf dem Mittelstreifen der Hauptverkehrsstraße zu kaufen, inklusive Blinkketten und Kunstschnee(!) versteht sich.
Längst habe ich mich auch an die Tatsache gewöhnt, das einem Kinder und Babys teilweise kommentarlos auf den Schoß gesetzt werden, wenn man denn einen der begehrten Sitzplätze erlangt hat. Als Gegenleistung erlebe ich auf der anderen Seite immer wieder, dass angeboten wird, meine volle Tasche oder den schweren Rucksack entgegenzunehmen und aufzubewahren. Und das ist eine wahre Hilfe, wenn man mal wieder als Letzte ins Chapa gequetscht wurde und nur deshalb nicht umkippt, weil sich eben dazu gar kein Platz mehr bietet. Also ein faires Geben und Nehmen :D
Wobei ich erwähnen sollte: Sitzplatz heißt nicht gleich Sitzplatz! Ähnlich wie im Fußballstadion gibt es unterschiedliche Kategorien und  Klassen. Da wären zum Einen die auf der rechten Seite angebrachten "Zweier"-bänke, die als heilige VIP-Sitze gedealt werden. Erlangt man einen Platz auf der linken Seite ist das noch immer Luxus, es muss jedoch in Kauf genommen werden, bei jeder Paragestation aufzustehen, um Leute aus weiter hinten liegenden Bereichen der Minichapas aussteigen zu lassen. Ansonsten gilt bei stickigen, gefühlten 40°C im Inneren natürlich: Fensterplätze sind (im wahrsten Sinne des Wortes) heiß begehrt! Pech nur, wenn man einen dieser blöden Kleinbusse erwischt, die an den Fenstern auf Schulterhöhe, Haltestangen angebracht haben. Diese sorgen bei den "ach so ebenen“ Straßen Maputos dann für tolle blaue Flecken! Hat man mal wieder die A****karte gezogen und teilt sich die eigentlichen Dreierreihen mit drei mosambikanischen Mamas mit waschechter "afrikanischer" Fülle und Hintern, steigt man sogar ohne die lässtige Stange mit mehreren Prellungen an Rippen, Arm und Hüftknochen aus dem Chapa.
Aber zurück zu den Luxusplätzen am Fenster. Diese sind nicht nur wegen des frischen Fahrtwinds (wenn bei dem Stau den mal gefahren wird) super beliebt, sondern ermöglichen den ganzen Wocheneinkauf auf dem Nachhauseweg zu erledigen. Gerade zum Beispiel gönnt sich die Frau zu meiner Rechten, die definitiv zur oben genannten eher korpulenteren Kategorie der Fahrgäste zählt, einen frisch vom Grill kommenden Maiskolben als Nachmittagssnack. Und bei dem jungen Mann in der hinteren Reihe, der seit einer Stunde mit seiner Handymusik das ganze Chapa beschallt, geht es ebenfalls heiß her. Es wird um Salat und Tomaten gefeilscht, was das Zeug hält. Gleich kommen wir an dem Stand mit den Eiern vorbei..ich hoffe die werden nicht auch noch für sein Abendessen gebraucht. Denn wo landet all das, was man hier sooo "praktisch" beim Vorbeirollen erlangen kann? Richtig! Im Inneren des Gefährts als weiteres Transportgut! Bei Kohl, Kartoffeln und Co. - bis auf weniger Platz - ja nicht weiter schlimm. Mit einem Berg aus rohen Eiern hinter einem wird hingegen schon mal eher ein Gebet Richtung Himmel geschickt, dass dieser die Balance auch hoffentlich während der nächsten Schlaglöcher hält.
So ich bin dann nun nach 1 ½ Stunden endlich 'zu Hause' angekommen und das Schreiben hat mich fast vergessen lassen, dass mittlerweile nicht nur mein Rücken schweißnass, sondern auch mein Bein eingeschlafen ist. Aber hey - das alles ist eigentlich schon ganz normaler Alltag.
Damit euch noch einen schönen Abend, ich steig aus und mach für das nächste Transportgut platz.

Eure Anna                                                                         Maputo, den 18.12.2014, 16:58

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